Die Einführung und der Betrieb eines ERP-Systems sind mit erheblichen Kosten verbunden. Schon bei der Beschaffung einer solchen Lösung gilt es abzuwägen, ob ein Return on Investment erreicht wird. Oder anders ausgedrückt: Ab wann rechnet sich eigentlich ein ERP-System, und welche Faktoren sind dafür verantwortlich?
Symbolbild Wright Studio / AdobeStock
Die Kosten für eine ERP-Software (Enterprise Resource Planning) hängen von verschiedenen Faktoren ab, wie beispielsweise der Grösse des Unternehmens, dem Umfang der Software, der Anzahl der Benutzer und der Komplexität der Geschäftsprozesse. Der Aufwand lässt sich in der Regel recht gut beziffern, denn für die Beschaffung, Wartung und Optimierung liegen aus der Buchhaltung klare Zahlen vor. Anders sieht es beim Ertrag aus. Nur wenige Unternehmen können den Softwarenutzen auch quantitativ ausweisen. In den meisten Fällen begnügt man sich mit subjektiven Aussagen wie «das alte System war schneller» oder «das neue System ist besser». Ist es nicht seltsam, dass Firmen hohe Summen für ein ERP ausgeben und am Ende nicht wissen, ob es sich gelohnt hat?
Viele machen einen Bogen um den ROI
Ein ERP-System einzuführen, ist mit viel «Blut, Schweiss und Tränen» verbunden. Ist der Go-live endlich durch und die Kinderkrankheiten ausgemerzt, seufzen alle erleichtert auf. Warum dann noch messen, ob sich die Durchlaufzeit oder Qualität von Prozessen verbessert hat? Hauptsache, das System läuft. Ausserdem ist ja vorher auch nie jemand mit der Stoppuhr neben dem ERP gestanden und hat die Verarbeitungszeiten gemessen. Vergleichswerte? Fehlanzeige. Soweit die Realität.
Auf dieser Grundlage den Return on Investment (ROI) zu berechnen, ist natürlich unmöglich. Es stellt sich die Frage, ob Informationen zu diesem Thema grundsätzlich nicht erwünscht sind oder ob es einfach zu mühsam ist, den ROI zu ermitteln. Die Erfahrung zeigt, dass – aus welchen Gründen auch immer – viele Firmen auf die Nutzenermittlung des ERP-Systems verzichten. Eigentlich schade, denn gerade mit einem nachweisbaren ROI könnte man den Weg für weitere Investitionen freimachen und den betriebenen Aufwand mit dem konkreten Wert eines Projekts rechtfertigen.
Die Kosten stehen (zu) oft im Vordergrund
In der Regel gibt es zwei Arten von Kosten für die Einführung einer ERP-Software:
- Lizenzkosten: Diese Kosten umfassen die Gebühren für die Nutzung der ERP-Software und können je nach Anbieter und Modell unterschiedlich sein. Einige Anbieter berechnen eine einmalige Lizenzgebühr, während andere eine monatliche oder jährliche Abonnementgebühr erheben.
- Implementierungskosten: Diese Kosten beziehen sich auf die Anpassung und Konfiguration der ERP-Software, um sie an die spezifischen Bedürfnisse des Unternehmens anzupassen. Dazu gehören auch Schulungen für die Benutzer und die Integration mit anderen Systemen. Die Implementierungskosten können je nach Umfang der Anpassungen und der Komplexität der Prozesse variieren.
Die Gesamtkosten für die Einführung einer ERP-Software liegen in einer Bandbreite zwischen Zehntausenden und Millionen, abhängig von den oben genannten Faktoren. Natürlich ist es wichtig, dass Unternehmen sorgfältig abwägen, welche Funktionen für ihre Geschäftsprozesse notwendig und welche Kosten damit verbunden sind, um eine fundierte Entscheidung über die Auswahl und Einführung einer ERP-Software zu treffen. Doch die Kosten sind nur die eine Seite der Medaille. Wie sieht es mit dem Gewinn bzw. Nutzen aus?
Ein Plädoyer für den Nutzwert des ERP
Dass ein ERP-System nützlich ist, würden wohl die meisten Unternehmen unterschreiben. Doch worin liegt eigentlich der Nutzen?
- Ein ERP-System integriert die verschiedenen Geschäftsbereiche eines Unternehmens wie Finanzen, Produktion, Vertrieb und Einkauf. Durch den Einsatz eines ERP-Systems können Informationen schneller und effizienter ausgetauscht werden, was zu einer verbesserten Kommunikation und Koordination führt.
- Durch die Automatisierung von Geschäftsprozessen können Unternehmen ihre Kosten senken. Ein ERP-System kann beispielsweise dazu beitragen, die Lagerhaltungskosten zu reduzieren, indem es den Bestand auf einem optimalen Niveau hält. Auch können durch bessere Planung und Kontrolle der Produktion Überproduktion und Verschwendung von Ressourcen vermieden werden.
- Da ein ERP-System Echtzeit-Daten aus allen Geschäftsbereichen sammelt, können Unternehmen fundierte Entscheidungen auf der Grundlage von aktuellen Informationen treffen. Dadurch können Unternehmen ihre Geschäftsprozesse besser planen und steuern.
- Ein ERP-System kann dazu beitragen, die Kundenzufriedenheit zu verbessern, indem es eine bessere Planung und Steuerung der Produktion ermöglicht. Auch können Kundenanfragen schneller und effektiver bearbeitet werden, da alle relevanten Informationen sofort verfügbar sind.
Das sind nur einige ausgewählte Schwerpunkte, wo der Nutzen eines ERP-Systems klar zu Tage tritt. Diese Bereiche sind ideale Ansatzpunkte, um Verbesserungen zu messen und in Zeit- oder Geldeinheiten darzustellen.
So nehmen Sie den ROI unter die Lupe
Als Erstes eine Definition des Return on Investment (ROI): Dieser beschreibt das Verhältnis zwischen dem Gewinn oder Nutzen, den man durch eine Investition erzielt, und den Kosten, die man für diese Investition aufwenden musste.
ROI = (Gewinn - Investitionskosten) / Investitionskosten x 100 %
Die Berechnung des ROI erfordert die Bestimmung des Gewinns und der Investitionskosten. Genau hier beginnt das Problem: Wie lässt sich der Gewinn bestimmen? Die oben genannten Bereiche können allenfalls Indizien liefern, mit denen sich der ERP-Nutzen errechnen lässt. Ein mögliches Beispiel könnte so aussehen:
Der Versandprozess für Online-Bestellungen umfasst die Schritte:
- Bestellprüfung inkl. Abgleich Lagerbestand, Prüfung Kundendaten und ggf. Erfassung, Bonitäts-Check
- Prüfung Zahlungseingang, Ausgleich Debitoren, Freigabe
- Erstellung Versanddokumente inkl. Etiketten, Berechnung Porto
- Übergabe in Spedition für Kommissionierung, Verpackung und Versand
- Versandbestätigung an Kunde mit Trackingnummer
Nehmen wir an, dass dieser Prozess im System A insgesamt 12 Arbeitsstunden und eine Durchlaufzeit von 24 Stunden beansprucht hat. Das integrierte System B erledigt diesen Prozess innerhalb von 3 Arbeitsstunden und einer Durchlaufzeit von 6 Stunden. Bei einem Stundenansatz von Fr. 80.– kostet der Prozess in System A Fr. 960.– und in System B Fr. 240.–. Hinzukommt die verkürzte Durchlaufzeit. Entscheidend ist die Beobachtungszeit bzw. die Häufigkeit der Prozesswiederholung. Bei 100 Bestellungen pro Monat würde das Unternehmen Fr. 72'000.– monatlich sparen. Nehmen wir an, dass der Investitionsanteil für diesen Prozess Fr. 4000.–/Monat beträgt. Jetzt sind Sie am Zug: Versuchen Sie anhand obiger Formel den ROI dieses Prozesses zu berechnen.
Vom Berechnen zum Verbessern
Es ist wichtig zu beachten, dass der ROI nur ein einfaches Mass für die Rentabilität einer Investition ist und andere Faktoren wie die Liquidität, das Risiko und die langfristigen Auswirkungen einer Investition nicht berücksichtigt. Daher sollte der ROI nur als Teil einer umfassenden Bewertung einer Investition verwendet werden.
Die Gesamtberechnung des ROI eines ERP-Systems ist sehr komplex. «Soft Factors» wie Kundenzufriedenheit, Image nach aussen, Vorteile beim Employer-Branding, Qualitätsgewinn usw. lassen sich kaum beziffern. Die Beschränkung auf ausgewählte Teilprozesse erlaubt es immerhin, den faktenbasierten Nutzwert des ERP in diesen Bereichen zu bestimmen.
Solche Messungen dienen nicht nur dazu, die Investitionsrendite einmalig zu beurteilen, sondern auch der laufenden Optimierung von ERP-unterstützten Arbeitsprozessen. Vielleicht schaffen Sie es ja, die Bestzeit für den erwähnten Bestellprozess noch zu unterbieten. Nur wer vergleicht, findet die optimale Lösung.
7 Tipps für die ROI-Berechnung eines ERP-Systems
- Arbeiten Sie bereits in der Software-Evaluation mit messbaren Zielen anhand der wichtigsten Kernprozesse.
- Beachten Sie, dass jede Lösung nur so gut ist wie der Prozess, den sie unterstützt.
- Je kleiner das Untersuchungsgebiet, desto einfacher und genauer die Nutzwertberechnung
- Sensibilisieren Sie die Anwender auf die Identifikation von Prozessvereinfachungen.
- Hinterfragen Sie jede Systemanpassung oder -erweiterung nach Aufwand und Gewinn.
- Achten Sie bei der Aufbereitung von Werten darauf, dass Sie nicht Äpfel mit Birnen vergleichen.
- Tauschen Sie sich mit anderen Anwendern aus und profitieren Sie von deren Best-Practice-Erfahrungen.
Der Autor
Markus Notter ist Inhaber und Geschäftsführer des Schweizer ERP-Anbieters
redPoint AG. Er pflegt einen pragmatischen, kundenorientierten und verbindlichen Führungsstil und verfügt über einen langjährigen Leistungsausweis in projekt- und serviceorientierten Organisationen.
Dieser Beitrag wurde ermöglicht durch redPoint AG mit ihrer umfassenden und branchenfokussierten ERP-Lösung. www.redpoint.swiss
Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 23-1
Das Schweizer Fachmagazin für Digitales Business kostenlos abonnieren
Abonnieren Sie das topsoft Fachmagazin kostenlos. 4 x im Jahr in Ihrem Briefkasten.