Die Anzahl Ziegen in der Schweiz ist genaustens dokumentiert – unbekannt ist der Wert der Software, die hier produziert wird. Wir glauben an einen Gegenwert von 57 Milliarden Franken, obwohl offiziell 20,4 Milliarden genannt werden. Im folgenden Artikel leiten wir die 57 her. Seit dem Swiss Software Festival 2025 gilt sie unter Insidern als die neue 42 – als Antwort auf die «endgültige Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest».

Symbolbild Copilot
Was wir wissen – und was nicht
Wir wissen ganz genau, wie viele Ziegen letztes Jahr in der Schweiz gehalten wurden: Es waren 86‘796 Tiere. Wir wissen aber tatsächlich nicht, wie gross die Schweizer Software-Industrie ist.
Ja, es gibt Firmen, die in der Schweiz Software herstellen und dann auf dem Markt verkaufen. Wir sprechen von Standardsoftwareherstellern. Dann gibt es Unternehmen, die individuelle Software für ihre Kunden programmieren (Individualsoftwarehersteller) und solche, die vor allem Systeme konfigurieren und Integrieren (Systemintegratoren).
Diese drei Firmenarten gelten als Softwarefirmen und werden in den Statistiken auch als solche erfasst. Sie sind allerdings nur die «Spitze des Eisbergs».
Firmen aus der Unternehmensberatung sowie aus Forschung & Entwicklung stellen ebenfalls Software her – und sie leisten Dienste im Zusammenhang mit der Entwicklung und Einführung von Software. Am meisten Software wird aber nach unseren Kenntnissen in Firmen programmiert, die sich nicht zur Software- oder Beratungsbranche zählen. Eine der grössten Softwarefirmen der Schweiz dieser Art dürfte die UBS sein.
Um herauszufinden, wie gross der Anteil an Softwareherstellung an der gesamten Wertschöpfung wirklich ist, müssen wir also die Wertschöpfung in jeder Branche, bei jeder Tätigkeit verstehen. Das wird übrigens immer brisanter, denn bereits wird Software hin und wieder sogar von Fachkräften programmiert, die nicht nur ausserhalb der Softwarebranche arbeiten, sondern sich nicht einmal als Teil der Softwareentwicklung sehen. Dies findet auch dank den modernen Entwicklungstools und Künstlicher Intelligenz immer häufiger statt.
Wie man auf 57 kommt – ohne zu übertreiben
Weil wir nicht die Wertschöpfung jeder Branche «à fond» kennen können, basiert die Herleitung der Zahl 57 auf Branchenstudien und auf Schätzungen. Bei den Schätzungen bleiben wir möglichst konservativ, schätzen den Softwareanteil also eher zu tief als zu hoch ein. Es sei uns also verziehen, wenn es im Folgenden hin und wieder etwas «akrobatisch» wird. Wir berechnen und erheben alle Zahlen für das Referenzjahr 2023.
2022 betrug die Bruttowertschöpfung in der Schweiz 791 Milliarden Franken. Der Anteil der Softwarefirmen daran war gemäss dem Swiss Software Industry Survey (auf der Basis der BfS-Statistik) 2,6 Prozent, also 20,4 Milliarden Franken. Die Softwarebranche wuchs im Durchschnitt jährlich um 2,7 Prozent, was für 2023 also eine Wertschöpfung von 21 Milliarden Franken ausmacht.
Firmen in der Beratung sowie Forschung und Entwicklung – die grössten zwei Firmen dieser Art sind Accenture und Deloitte – stellen ebenfalls Software her. Die Wertschöpfung dieses Sektors betrug 2023 9,2 Milliarden Franken. Wir gehen davon aus, dass 6 Milliarden davon schlussendlich in Software mündeten.
Wir wissen, dass die Finanzindustrie nicht nur ein guter Kunde der Schweizer Softwarehersteller ist, sondern selbst auch sehr viel Software produziert. Ihre Wertschöpfung beträgt gut 75 Milliarden Franken. Dienstleistungen wie IT, die extern eingekauft wurden, sind da nicht dabei. Wir wissen aus Branchenvergleichen, dass die IT-Kosten bei Finanzdienstleistern etwa 30 Prozent der Wertschöpfung ausmachen. Seien wir konservativ und rechnen wir mit 25 Prozent. Das ergibt gerundet 19 Milliarden Franken.
Pharma und Chemie sind die exportstärksten Industrien der Schweiz, die ebenfalls am meisten in Forschung und Entwicklung investieren. 2021 waren es rund 6 Milliarden Franken. In unserem Stichjahr 2023 waren es wohl nicht weniger. Nehmen wir vorsichtig an, zwei Drittel davon sei für Informatik ausgegeben worden und davon 80 Prozent für inhouse entwickelte Software. Das wären dann 3,2 Milliarden Franken. Nehmen wir zusätzlich knapp eine Milliarde für die Inhouse-Entwicklung von Software für Prozesse und Produktion dazu. Unsere Zahl erhöht sich damit um abgerundete 4 Milliarden Franken. Biotech-Firmen forschen ebenfalls intensiv – auch dafür ist vor allem Softwareentwicklung nötig. Wir rechnen zusätzlich 1 Milliarde Franken.
Hightech, KMU und stille Mitspieler
Nun kommen wir zu einer weiteren Software-affinen Branche: Die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM), also der Schweizer Hightech- und Maschinenindustrie. Sie gab 2023 rund 3 Milliarden Franken für Forschung und Entwicklung aus. Nehmen wir vorsichtig an, davon wurden zwei Milliarden für die Entwicklung von Software ausgegeben. Aus der Beratungspraxis von sieber&partner wissen wir, dass Schweizer KMU vermehrt selbst Software für allerlei Geschäftsprozesse bauen. Deswegen packen wir nochmals 2 Milliarden für interne Software-Entwicklung dazu und erhalten somit 4 Milliarden Franken.
Die weiteren Branchen entwickeln wohl eher in geringerem Mass selbst Software, sondern sie kaufen sie mehr oder weniger erfolgreich ein. Dazu gehören die öffentliche Verwaltung, das Gesundheitswesen, die Immobilienbranche, die Energie- und die Bauwirtschaft. Doch da und dort werden auch in diesen Branchen eigene Lösungen entwickelt und Schnittstellen gebaut. Wir sind vorsichtig und fügen 1 Milliarde an Softwareentwicklung hinzu, die in all diesen Branchen stattfindet. Dasselbe gilt für den Handel. Wir addieren eine weitere Milliarde.
Weitere Branchen entwickeln fast keine Software inhouse. Diese rechnen wir nicht an, um unsere Schätzung konservativ zu halten. Dazu gehören die Landwirtschaft, der Tourismus, die Kommunikation, die Medien sowie die Kunst. Ausgeklammert haben wir damit auch die Computer-Gaming-Industrie. Es gibt in der Schweiz etwa 100 kleinere Firmen und Studios in diesem Bereich, die zusammen etwa 300 Millionen Franken umsetzen.
Die 57 – ein Zahlenspiel, aber nicht nur
Kommen wir nun zum Schlussresultat: Die Schweizer Software-Industrie ist mindestens 57 Milliarden Franken schwer. Nach aussen sichtbar sind aber nur die 21 Milliarden. Damit trägt die Schweizer Softwareherstellung mehr zur Wertschöpfung der Schweiz bei als die politisch starke MEM-Industrie, die 2023 auf geschätzte 41 Milliarden Franken Wertschöpfung kam. So einfach ist die Sache freilich nicht, denn wir haben jetzt ja eben einen Teil der Wertschöpfung der MEM-Industrie zur Software-Industrie geschlagen – und das ist natürlich nur als Zahlenspiel erlaubt.
Die schöne Zahl von 57 Milliarden Franken ist also zwar eine Spielerei, aber sie zeigt uns eines: «Software-Kunstschaffende» aus- und weiterzubilden ist für die Zukunft der Schweizer Wirtschaft entscheidend – und womöglich noch wichtiger, als wir bisher gedacht haben.
To whom it may concern.
57 ist das neue 42 – Ursprung und Kontext
Dieser Text baut auf einer Präsentation von Pascal Sieber und Christoph Hugenschmidt am
Swiss Software Festival im Juni 2025 auf. Sie war Teil des «Industry Tracks – Software Industry» des Branchenverbands Swico anlässlich des Festivals. Die nächste Ausgabe findet am
23. Juni 2026 wiederum im Uptown Basel statt.
Beide Autoren haben vor über 20 Jahren begonnen, die Schweizer Software-Industrie zu erforschen. Deren Initiative mündet im jährlich von
der Universität Bern mit der Unterstützung des
Swico und Sieber & Partners durchgeführten
Swiss Software Industry Survey.
Die Autoren
Dr. Pascal Sieber ist Unternehmer, Unternehmensberater, Analyst und VRP der
Dr. Pascal Sieber & Partners AG. Er ist Doktor der Wirtschaftsinformatik, ist in diversen Verwaltungsräten vertreten und Studiengangsleiter an der Uni Bern.
Christoph Hugenschmidt ist ein erfahrener Journalist und freiberuflicher Autor, der sich auf die IT-Branche spezialisiert hat.
www.schreibenundreden.ch