Evaluation FSM-System mit Anbieter-Briefings

25.09.2025
5 Min.

Bei der Auswahl eines Field Service Management (FSM)-Systems sollten strategisch wichtige Schlüsselfaktoren priorisiert und Service-Prozesse nicht unterschätzt werden, da der After Sales Service für die Kundenbindung immer wichtiger wird. Die enge Integration mit dem ERP-System erfordert eine Anpassung der Abläufe, um ERP-Potenziale optimal zu nutzen und Anpassungskosten gering zu halten.

 

Symbolbild Adobe Stock

 

Wenn Sie parallel ein neues Enterprise Resource Planning (ERP) und ein Field Service Management System (FSM) evaluieren, ist es entscheidend, die für das FSM relevanten Schlüsselfaktoren strategisch zu gewichten. Diese Prioritäten sollten während des gesamten Auswahlprozesses konsequent berücksichtigen werden.

Allzu oft werden die Anforderungen an die Service-Prozesse als nebensächlich betrachtet, obwohl der After Sales Service in der Wertschöpfungskette kontinuierlich an Bedeutung gewinnt. Der After Sales Service bietet nach dem Verkauf die zweite grosse Chance, mit Kunden in Kontakt zu treten und eine langfristige Partnerschaft zu etablieren.

Bei der Auswahl eines FSM-Systems, das eng mit einem bestehenden ERP-System verzahnt werden soll, sind die Anforderungen an das Business Process Reengineering keineswegs geringer.

Bestehende Abläufe müssen kritisch analysiert und so neu gestaltet werden, dass einerseits die Potenziale des ERP-Systems optimal genutzt werden, ohne übermässige Anpassungskosten zu verursachen, und andererseits das künftige FSM-System umfangreiche Anforderungen erfüllt.

Insbesondere Schnittstellen, effiziente Disposition der Techniker, Statusmeldungen in Echtzeit, Technikerrückmeldungen mittels Mobile Devices, Integration von KI für Fehlerdiagnose und -behebung sowie flexible Datenabfragen sind zentrale Kriterien.

Wie evaluiere ich ein FSM-System? Vorgehen und Schlüsselthemen

Die Evaluation eines Field Service Management (FSM)-Systems erfordert ebenso einen strukturierten Ansatz, der sowohl technische, betriebliche als auch partnerschaftliche Aspekte berücksichtigt.

Für die Schlüsselthemen muss ein Anforderungskatalog erstellt werden, welcher auf einer idealisierten Prozessbeschreibung fusst. Kernelemente einer solchen Anforderungskatalog können sein:

  • Funktionalität
    • Offline-Fähigkeit: wichtig bei Umgebungen ohne stabile Netzverbindung
      (Bsp. Kellerräume, Stahlhallen)
    • Dynamische Planung mit Plantafel
      - Einsatzplanung pro Mitarbeiter / Ressourcengruppen / Kompetenzgruppen
      - Routenoptimierung unter Berücksichtigung der aktuellen Verkehrssituation
      - Priorisierung von Notfällen
      - Flexibler Wechsel des disponierten Technikers aufgrund kurzfristiger Ressourcenengpässen
      - Drag & Drop aller Einsätze
    • Notfalleinsätze
      - auf Basis der Fahrzeugstandorte und
      - fachlichen Kompetenzen der Techniker
    • Zeiterfassung
      - Leistungszeit pro Technikerauftrag inkl. Erfassung verbauter Materialien
      - Präsenzzeit
    • Spesenerfassung
      - Aktivitäten Drittlieferanten (Vor-Ort-Beschaffungen)
      - Mitarbeiterauslagen
    • Berichtswesen:
      - Einsatzanalysen zur laufenden Optimierung
      - Arbeitsrapporte pro Zeiteinheit und Mitarbeiter/Gruppen

  • Integration & Technologie
    • API-Schnittstellen:
      - Möglichkeit zur bidirektionalen Anbindung an ERP-, CRM- oder CMMS-Systeme
    • Mobile Technologien:
      - Verwendung von unterschiedlichen Mobile Devices
      - GPS-Tracking der Technikerfahrzeuge
      - digitale Unterschriftenerfassung
    • KI
      - Augmented Reality für Techniker zu deren Unterstützung
      - Analyse der Fehler und Ursachenbehebung

  • Benutzerfreundlichkeit
    • Intuitive Oberfläche (z. B. Farbcodierungen, klare und deutliche Touchscreen-Buttons)
    • Workflow-Flexibilität
      - Möglichkeit, individuelle Prozesse abzubilden (Bspw. Zusatzleistungen, Wartungsprozeduren, Foto-Integration, automatische Zustellung der Serviceberichte etc.)

  • Skalierbarkeit & Zukunftssicherheit
    • Berücksichtigung eines strategisch angestrebten Unternehmenswachstums
    • Keine Verwendung von auslaufenden Technologien «End of Life»

  • Modulare Erweiterbarkeit
    • Möglichkeit der schrittweisen Einführung neuer Features 

Anbieter-Briefing und Workshop

Sie haben die objektiven Kriterien zusammengestellt, und damit die Longlist der FSM-Anbieter auf eine Shortlist mit drei bis fünf Anbietern reduziert. Die möchten Sie nun in die engere Auswahl nehmen.

Diese Unternehmen sollen nun ihre FSM-Systeme in Form von Workshops präsentieren.

Je einzelfallspezifischer die Workshops, desto besser

An dieser Stelle kommt das Anbieter-Briefing ins Spiel. Die Anbieter sollten ihre Workshops mehr oder weniger individualisieren. Dabei spielen die Informationen eine Rolle, die Sie dem FSM-Anbieter über Ihr Unternehmen zur Verfügung stellen. Laden Sie dazu die Anbieter zu einem Anbieter-Briefing in Ihrem Unternehmen ein.

Informationsaustausch vor Ort und den Fokus auf die Prozesse

Mit einem Briefing vor Ort bieten Sie den Anbietern die Möglichkeit, sich ein Bild der Situation und der Gründe für die Anforderungen zu machen. Die zentralen FSM-Prozesse können direkt besprochen und die Kernpunkte thematisiert werden. Nennen Sie auch die Punkte, die Sie sich von einem neuen FSM-System in der Zukunft erhoffen.

So erhalten die Anbieter einen genaueren Einblick in Ihr Unternehmen als mit einem umfassenden Funktionskatalog.

Weiter können Sie im Briefing genau die Themen ansprechen, welche im späteren Workshop behandelt werden sollten. Auf diese Art und Weise lässt sich die Spreu sehr einfach vom Weizen trennen, denn nicht alle Anbieter werden die Chance erkennen und lediglich einen Standardworkshop durchführen.

Zur Durchführung solcher Anbieter-Briefing sollten Sie jeweils zwei bis drei Stunden einplanen, was jedoch eine sehr gut investierte Zeit ist.

Bei den Workshop werden Sie schnell feststellen, dass es grosse Unterschiede gibt und dass Ihr Evaluationsteam bei der Produkt- und Partnerwahl Einigkeit haben wird.

Die Kombination eines Anbieter-Briefing mit anschliessendem Workshop hat eine viel grössere Aussagekraft, denn

  • die Workshops werden sich qualitativ verbessern und sich auch voneinander unterscheiden.
  • Sie können die FSM-Systeme passgenauer vergleichen und viel besser beurteilen, welches System am besten zu Ihren Prozessen und Ihrer spezifischen Situation passt.
  • Sie erhalten einen persönlichen Eindruck der Unternehmung. Sie können sich wechselseitig «beschnuppern» und spüren, wie die Zusammenarbeit funktionieren könnte und ob die «Chemie» stimmt.
  • Sie werden sich für den Anbieter entscheiden, der sich auf Sie einstellt und Ihre Interessen berücksichtigt.

Schlussfolgerung

Eine erfolgreiche FSM-Evaluation ist eine Kombination von objektive Kriterien (Erfüllung der funktionalen Anforderungen, Investition, laufend Kosten) mit «weichen» Faktoren wie Anwenderakzeptanz und partnerschaftliches Vertrauen. Nutzen Sie Anbieter-Briefings als Grundlage für die nachfolgenden Workshops – so sichern Sie die optimale Auswahl für Ihr Unternehmen.

 

 

Der Autor

Robert Zanzerl ist Berater aus Leidenschaft, Gründer und Inhaber der Bewium GmbH sowie Mitglied des topsoft Consulting Netzwerks

www.bewium.ch
www.topsoft.ch/consulting

 

 

Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 25-2

 

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