Von der Einführung eines ERP-Systems versprechen sich die meisten Unternehmen Kostensenkung, Effizienzsteigerung und Optimierung der Geschäftsprozesse. Es erstaunt nicht, dass die Impulse für solche Projekte immer häufiger aus Fachabteilungen wie Vertrieb, Einkauf oder Logistik stammen. Business gesteuerte Projekte laufen den früheren IT-Projekten zunehmend den Rang ab. (Den ersten Teil dieser Serie können Sie hier lesen).

 

Stolpersteine und Erfolgsfaktoren

Nicht jedes IT-Projekt verläuft wie gewünscht. In erster Linie führen nichttechnische Gründe zum Scheitern:

  • Nicht genügend Personal, Geld und Zeit
  • Zu wenig Priorität gegenüber dem Tagesgeschäft
  • Mangelnde Identifikation des Managements mit dem Projekt
  • Mangelnde Sozialkompetenz im Projektteam
  • Unklarer Handlungsbedarf bei den Betroffenen
  • Unrealistische zeitliche Vorgaben für das Projekt
  • Fehlende Schulung des Projektteams

Vordergründig erscheinen zwar oft die unzweckmässigen Rahmenbedingungen für das Projekt als kritisch, dahinter verbergen sich jedoch vielfach eine unklare Richtung und Gewichtung des Projektes und insbesondere fehlende soziale und methodische Kompetenzen auf allen Hierarchiestufen des Unternehmens.

V2_Antriebsfaktoren Für die Beschaffung neuer Business Anwendungen
Abbildung 1: Gründe für die Beschaffung von Business Software [Ziegler]

Umgekehrt lässt sich der Projekterfolg natürlich auch positiv beeinflussen. Zu den Erfolgsfaktoren gehören:

  • Tatkräftige Unterstützung durch das Management
  • Schnelle und effektive Grobevaluation
  • Werkzeuge für das Projektmanagement
  • Kommunikation und Kooperation
  • Fach- und Methodenwissen im richtigen Kontext
  • Professionelle und erfahrene Berater

Sowohl beim Projektmanagement als auch bei der Kommunikation und Kooperation gilt es, über die internen Mitarbeiter hinaus auch die verschiedenen externen Projektbeteiligten in geeigneter Weise zu integrieren.

Vorgehen für Evaluation und Einführung

Im ERP-System wird ein Abbild der Firma geschaffen. Die Aufgabenverteilung, die Organisationsstruktur und die Abläufe in der Firma sind Elemente dieser Abbildung. Komplexität und Detaillierungsgrad widerspiegeln sich in den Anforderungen an das Informatiksystem. Die längerfristige Zufriedenheit mit einer neuen, umfassenden Business-Software wird erreicht, indem die Softwareauswahl und Einführung zusammen mit der Gestaltung der Organisation erfolgt.

Das im Folgenden skizzierte Vorgehen hat sich in der Praxis bewährt. Es basiert auf beschriebenen Prozessen, welche mit der gesuchten IT-Unterstützung ergänzt werden. Diese bilden wesentliche Teile der Ausschreibungsunterlagen.

1. Aufgabe definieren

  • Aufnahme Ist-Prozesse
  • Probleme, Verbesserungen
  • Entwickeln Soll-Prozesse

2. Zuordnung IT-Unterstützung zu Prozessen

  • Einsatzkonzept
  • Schulungsbedarf

3. Lösung suchen

  • Marktangebot eingrenzen
  • Ausschreiben
  • Drehbuch / Prototyping

4. Vertrag
5. Software einführen

Prozesse und Aufgaben als Projektgrundlagen

Zuerst werden die Hauptprozesse der Firma identifiziert, mit denen 80 % der Aufgaben erledigt werden. Nachdem die aktuellen Ist-Prozesse dokumentiert sind, werden für jeden der Hauptprozesse die Soll-Prozesse festgelegt. Anzumerken ist, dass sich die Strukturierung nach den Vorgaben einer ISO-Zertifizierung aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzung für die ERP-Einführung nicht eignet.

Die Ist-Prozesse werden am besten mit einem „stellenorientierten Ablaufdiagramm“ dargestellt. Die organisatorischen Einheiten (Stellen) bilden waagrechte Balken, in denen die Prozessschritte eingetragen werden, beginnend beim Kunden. Die Darstellung kann mit den beteiligten Dokumenten und jenen Medien ergänzt werden, welche für die Informationsflüsse genutzt werden.

V2_Einfaches stellenortientiertes Ablaufdiagramm
Abbildung 2:    Einfaches stellenorientiertes Ablaufdiagramm

Die Ist-Prozesse sind auf Stärken und Schwächen hin zu untersuchen. Dies geschieht am besten direkt mit den Beteiligten. Lösungsansätze zur Überwindung der Schwächen dienen zur Gestaltung der Soll-Prozesse. Genau wie bei der Aufnahme der Ist-Prozesse ist für die Gestaltung der Soll-Prozesse die Diskussion des stellenorientierten Ablaufdiagramms zusammen mit den Beteiligten zielführend.

IT unterstützte Prozesse und Einsatzkonzept

Zu jedem einzelnen Prozessschritt der Sollprozesse wird die gewünschte IT-Unterstützung beschrieben. Der Prozessschritt wird so in allen Einzelheiten aufgelistet und tabellarisch dargestellt.

V2_Beispiel Detaillierung der Anforderungen  [Hafen]
Abbildung 3: Beispiel Detaillierung der Anforderungen  [Hafen]

Um einen ganzen Hauptprozess in diesem Detaillierungsgrad zu beschreiben, wird eine längere Auflistung entstehen. Die IT-Unterstützung ist nicht für jeden einzelnen Schritt für das Unternehmen gleich wichtig. Gerade bei kleinen Unternehmen können einzelne Schritte auch ohne IT-Unterstützung erfolgreich ablaufen.

Im Einsatzkonzept steht – grob gesagt –, welche Mitarbeiter mit welchen IT-Funktionen arbeiten werden. Damit Anbieter eine realitätsnahe Kostenkalkulation vornehmen können, muss ein grobes Einsatzkonzept vorliegen. Das Einsatzkonzept kann sehr einfach erstellt werden, in dem die Anzahl Personen den Prozessschritten auf dem stellenorientierten Ablaufdiagrammen der Hauptprozesse zugeordnet werden.

In speziellem Masse steht in diesem Zusammenhang auch die Qualifikation der Mitarbeiter zur Diskussion. Die Detailaufgaben, welche in Form des stellenorientierten Ablaufdiagramms als Soll-Prozess dargestellt sind, müssen von Mitarbeitern ausgeführt werden. Vom Ist-Zustand zu den Soll-Anforderungen klafft bei der Mitarbeiterqualifikation oft eine Lücke, welche mit Schulung rechtzeitig geschlossen werden muss. Der Schulungsbedarf kann aus der Differenz der Ist-Qualifikation und dem eingetragenen Bedarf abgeleitet werden.

Grobevaluation möglicher Systeme

Bei der Grobevaluation geht es darum, einen umfassenden Marktüberblick über die möglichen Lösungen zu erhalten. Dies ist wichtig, damit nicht in einem späteren Zeitpunkt des Projektes plötzlich Systeme und Anbieter auftauchen, welche die gefällte Entscheidung infrage stellen und durch die entstehende Unsicherheit allenfalls den Rückhalt für das Projekt bei den Betroffenen schwächen.

Mit Vorteil werden die infrage kommenden Systeme auf dem Inlandmarkt gesucht, da diese in der Regel auf die lokalen Anforderungen abgestimmt sind. Die kostenlose Online-Datenbank www.topsoft.ch verfügt über Vergleichsangaben zu allen relevanten Systemen im Schweizer Markt. Anhand zahlreicher Selektionskriterien und Zusatzinformationen zu den Produkten, Anbietern und Referenzen kann so eine Liste mit 10 bis 20 potentiellen Anbietern erstellt werden. In Ergänzung dazu ermöglicht der Besuch der topsoft Messe für Business-Software, verschiedene Systeme live zu erleben und die Personen persönlich kennen zu lernen, die sich für das Produkt und letztlich auch für den Kunden einsetzen.

Ausschreibung mit Projektunterlagen

Nach der Grobevaluation muss die Liste der möglichen Produkte meistens anhand von Ausschlusskriterien und telefonischen Vorabklärungen weiter reduziert werden. Liegt die Menge der Anbieter schlussendlich unter 10 hat man eine brauchbare Anzahl für eine Grob-Ausschreibung. Damit steht einer ersten schriftlichen Angebotsanfrage nichts mehr im Weg. Das zu versendende Dossier sollte mindestens folgende Punkte beinhalten:

  • Firmenbeschreibung
  • Prozessdiagramme
  • Detaillierte Prozessanforderungen
  • Grobes Einsatzkonzept
  • Weitere, von den Prozessen unabhängige Anforderungen entsprechend den Hauptselektionskriterien, wie z.B. Angabe einer bestimmten Referenz, Hardware-Anforderungen, Leistungen für die Betreuung usw.

Die Ausschreibungsunterlagen werden in der Schweiz oft als Pflichtenheft bezeichnet, was eigentlich nicht korrekt ist. Es handelt sich in dieser Phase um ein Grob-Lastenheft. Das Pflichtenheft wird später vom Anbieter geschrieben und zeigt, wie dieser ihre Anforderungen zu lösen beabsichtigt. Bei Ausschreibungen nach Deutschland ist dieser Sprachgebrauch zu berücksichtigen.

Sehr wichtig ist es, die Ausschreibung so zu gestalten, dass die Antworten auswertbar werden. Zum einen muss der Anbieter auf eine feste Form der Antworten verpflichtet werden, zum anderen ist aber auch darauf zu achten, dass sich der Umfang in Grenzen hält. Ansonsten ist die Gefahr gross, dass man nach einer Ausschreibung mit einem Berg von Prospekten und kaum vergleichbaren Angeboten konfrontiert ist, welche alle für sich in Anspruch nehmen, die beste aller Lösungen zu sein.

Mit den zuvor erarbeiteten Prozessen und der IT-Zuordnung lässt sich eine Matrix erstellen, um auswertbare und vergleichbare Angebote zu erhalten. Der Anbieter kann seine Angaben in die vorgesehenen Matrixspalten einfüllen. Allenfalls kann eine weitere Spalte für Anbieterangaben sinnvoll sein, ob die Funktionalität mit Partnerunternehmungen oder zusätzlichen Softwareprodukten abgedeckt wird. Falls der Anbieter einträgt, dass die Funktion nicht im Standard abgedeckt ist, muss die Lösung und der Aufwand angegeben werden.

Geeignete Selektionskriterien wählen

In einem ersten Schritt werden die Hauptkriterien für die Grobevaluation im Projektteam festgelegt und gewichtet. Dieses sollte Vertreter der Geschäftsleitung und aller relevanten Benutzergruppen umfassen. Bei der Grobevaluation wird oft der Fehler gemacht, dass lediglich funktionale Aspekte berücksichtigt werden. Es sind in dieser Phase aber fünf Hauptselektionskriterien zu berücksichtigen:

  • Funktionale Abdeckung der Bedürfnisse
  • Anpassbarkeit an zukünftige Bedürfnisse
  • Potenzial des Systemlieferanten
  • Referenzkunden
  • Preis-Leistungs-Verhältnis

Die Anpassbarkeit an künftige Bedürfnisse muss möglich sein. Ist das neue System erst einmal installiert, darf es kein Hindernis bei Prozess- oder Organisationsanpassungen sein. Das ERP-System sollte so aufgebaut sein, dass es den Veränderungen folgen kann. Anderseits muss man sich intensiv Gedanken machen, welche fundamentalen Änderungen auf das Unternehmen zukommen könnten, welche für das ERP-System relevant sind wie zum Beispiel:

  • neue Produkte, die einen Wechsel von der Serienfertigung in die Variantenfertigung erfordern
  • ein Dienstleistungsgeschäft, welches projektorientiert aufgebaut ist
  • Zusätzliche Standorte, Holding-Struktur, Tochtergesellschaften
  • Zusätzliche Sprachen, Währungen
  • Andere Arbeitsmodelle (Heimarbeit, Aussendienst-Anbindung)
  • Übernahme von Produktsortimenten mit anderen Artikelnummern usw.

Sich an Referenzkunden zu orientieren kann sehr effizient sein. Auf www.topsoft.ch sind über 500 Referenzfirmen aufgeführt und unter www.it-konkret.ch finden sich praxisnahe Fallstudien.

Show-Time mit Drehbuch und Prototyping

In der weiteren Evaluation wird die Auswahl schliesslich auf drei Systeme eingeschränkt, welche in die engste Wahl (Shortlist) kommen. Um schlussendlich den Sieger zu küren, müssen die Kandidaten eine Vorführung nach Drehbuch absolvieren. Die jeweiligen Anbieter präsentieren ihre Anwendungen anhand vordefinierter, beispielhafter Prozessschritte. Es wäre jedoch unzweckmässig und vom Volumen her unzumutbar, wenn die Vorführung in diesem hohen Detaillierungsgrad für sämtliche Prozesse verlangt würde. Die Auswahl sollte sich auf die wichtigsten Schritte konzentrieren: Was ist für das Unternehmen besonders kritisch? Was stellt einen spezifischen Geschäftsvorteil dar? Was ist technisch besonders anspruchsvoll? Bei diesen Punkten müssen die Anbieter genau zeigen, wie die technische und funktionale Umsetzung funktioniert. Ein Hinweis auf Musterbeispiele reicht nicht.

Es kann sich durchaus lohnen, ein Prototyping zu verlangen, um die kritischen Punkte in der Endauswahl vergleichen zu können. Der Prototyp muss die spezifischen Prozessschritte mit den vom Auftraggeber gelieferten Daten zeigen. Das Prototyping eignet sich auch, um bei einem einzigen favorisierten Anbieter die letzten Unsicherheiten auszuräumen und sicherzustellen, dass die Anforderungen erfüllt werden. Nach dem Prototyping kann man notfalls noch aussteigen, falls sich der Erfolg nicht zeigt. Eine Investition in das Funktionsmuster im Umfang von 10 % der geplanten Lizenzsumme ist dabei gut investiert und wird normalerweise bei Vertragsabschluss angerechnet.

Die Systemvorführung nach Drehbuch muss von den Anwendern beurteilt werden. Vorab ist der Ablauf mit den Teilnehmern festzulegen und es sind verbindliche Aufgaben und Rollen zuzuweisen. Die Auswertung der Vorführung ist unmittelbar anschliessend systematisch mit den Teilnehmern durchzuführen.

Der Vertrag regelt die Zusammenarbeit

Das risikolose IT-Projekt gibt es nicht. Deshalb ist es fahrlässig, Beschaffungen und Projekte ohne schriftliche Verträge zu realisieren. Mit dem Vertrag wird der Rahmen für die Zusammenarbeit mit dem Lieferanten der Software festgelegt. Für den Käufer hat das Projekt einen hohen Stellenwert – mit grosser Wahrscheinlichkeit werden unvorhergesehene Probleme auftauchen, welche auf der Basis einer gut funktionierenden Partnerschaft lösbar sind. Bereits der Weg zum Vertrag kann steinig sein und dadurch Chancen bieten: Auf dem Weg zum Vertragsabschluss wird nochmals die Möglichkeit geboten, die «Chemie» zwischen Kunde und Lieferant zu testen.

Einige Fragen können das Verhalten beleuchten:

  • Wer genau ist die Ansprechperson? Welche Kompetenzen bringt diese Person mit und wird sie von den Mitarbeitern akzeptiert? Wie hoch sind die Tagessätze?
  • Ist das Machtverhältnis der Partnerschaft ausgewogen?
  • Nimmt der Lieferant auch unkonventionelle Wünsche auf?
  • Ist es möglich, bei den auftauchenden Sachfragen in die Tiefe zu gehen und handfeste Antworten zu erhalten?
  • Wie viel Zeit räumt der Lieferant für die Verhandlungen ein? Ist er in der Terminfindung flexibel?
  • Wie geht der Anbieter mit heiklen Fragen um?
  • Versucht der Anbieter seinen Standardvertrag durchzusetzen?

Grundsätzlich muss man sich überlegen, wer den Vertrag aufsetzt und welche Konsequenzen daraus resultieren. Bei Streitigkeiten fällt die Interpretation eventuell anders aus, als man sich das beim Durchlesen eines fertigen Dokumentes vorgestellt hat! Als Verträge mit partnerschaftlichem Gehalt, als komplexe Langzeitverträge haben sich Informatikverträge schon lange vom klassischen Austauschverhältnis «Hier Leistung – dort Gegenleistung» entfernt.

Der Grund dazu liegt darin, dass sich die Grundlagen des Vertragsabschlusses oft ändern oder sich nachträglich sogar als falsch herausstellen können. Der Fokus ist daher auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zu setzen.

Der SWICO (Schweizerischer Wirtschaftsverband der Informations-, Kommunikations- und Organisationstechnik) hat sich für ICT-Standardverträge engagiert und Verträge ausgearbeitet, welche heute oft zum Einsatz gelangen. Hintergrundinformationen und Bestellmöglichkeiten finden sich auf www.swico.ch.

Datenübernahme, Einführung und Betrieb

Die Übernahme der Stammdaten von einem alten in ein neues ERP-System ist normalerweise recht gut möglich, auch wenn zuerst noch spezielle Skripts für die Abfrage der Datenbank zu schreiben sind.

Normalerweise haben sich im Laufe der Jahre viele veraltete, falsche und doppelte Daten angesammelt. Anstatt die vorhandenen Daten unbesehen zu übernehmen, bietet sich hier die Chance, aufzuräumen und zu selektieren. Bewegungsdaten zu übernehmen, ist hingegen schwierig. Wenn der Betrieb reibungslos vom alten zum neuen System umgestellt werden soll, ist dieser Punkt sorgfältig zu untersuchen.

Bei der Einführung von Business-Software sind der Aufbau und die Verankerung von themenspezifischem Wissen im betroffenen Unternehmen ein Erfolgsfaktor, den es zu berücksichtigen gilt.

Im Unternehmen muss aktuelles Wissen und Erfahrung vorhanden sein, um das IT-Projekt erfolgreich abzuwickeln. Die Einführung von Business-Software gehört normalerweise nicht gerade zu den Routineaufgaben. In aller Regel muss also Wissen eingekauft oder aufgebaut werden, damit es für die Projektabwicklung nutzbar ist. Der Wunsch nach Wissensaufbau wird durch weitere unternehmerische Ansprüche an das Projekt ergänzt. Beispielsweise wird verlangt, die neue Business-Software möglichst schnell einzuführen, ein Minimum an Geld auszugeben und den internen Aufwand tief zu halten. Die verschiedenen Ansprüche führen zu einem Zielkonflikt. Je nach den betrieblichen Randbedingungen sind unterschiedliche Wege gangbar, welche fallweise den Wissensaufbau im Unternehmen, zeitliche oder monetäre Aspekte stärker gewichten. Massgeblichen Einfluss auf den zu erwartenden Verlauf des Wissensaufbaus im Unternehmen und die zeitlichen und monetären Aspekte hat die Art, wie die in der Umfrage gewünschte Unterstützung durch professionelle Berater ausgestaltet wird.

Der Betrieb der Business-Informatik ist ein sehr umfangreiches Thema. Die IT Infrastructure Library, kurz ITIL, bietet einen Leitfaden zur Unterteilung der Funktionen und der Organisation der Prozesse, die im Rahmen des serviceorientierten (im Gegensatz zum technologieorientierten) Betriebs einer IT-Infrastruktur eines Unternehmens entstehen (IT-Service-Management). Nach ITIL ist eine Fülle von Aufgabenstellungen definiert, die beim Betrieb der IT-Infrastruktur anfallen. Darunter fallen unter anderem die Bereiche Service, Sicherheit, Infrastruktur und Lebenszyklus der Applikation.

 

Quellen:

[Ziegler] Studie „Business Software in der Schweiz“, 2012. Zur Verfügung gestellt von MSM Research AG, Philipp Ziegler, Schaffhausen.

[Hafen] Erfolgreich restrukturieren in KMU. Urs Hafen, Cuno Künzler, Dieter Fischer, vdf Hochschulverlag, Zürich 2000

[Fischer] Vorlesungsunterlagen. Dieter Fischer, Fachhochschule Aargau

 

Exkurs: „Lernkurven“ bei der Einführung von Business Software

Die flache Lernkurve

Die flach verlaufende Kurve zeigt modellhaft, was geschieht, wenn ein externer Experte seine fertige Lösung „expertokratisch“ auf das Unternehmen appliziert. Die typische Erfolgsmeldung dazu lautet: «Einführung in nur sechs Wochen geschafft». Im Unternehmen wird auf diese Weise relativ wenig Wissen aufgebaut. Häufige Fragen, ob dieses Modell im konkreten Fall genutzt werden kann, lauten:

  • Entsprechen die entscheidenden Geschäftsprozesse des Unternehmens dem vom Softwarehersteller vorgesehenen Standardfall?
  • Was verliert oder gewinnt das Unternehmen, wenn seine Prozesse dem von der Software vorgegebenen Standard angepasst werden?

Antworten können nur individuell gegeben werden. Die flache Lernkurve mit dem schnellen Produktivstart basiert darauf, dass Experten im Unternehmen vordefinierte Standardprozesse implementieren.

In gewissen einfacheren Fällen ist dieser Vorgehensweise Erfolg beschieden. Als «Erfolg» des IT-Projektes lässt sich definieren, dass die Abläufe und die Mitarbeitenden im Unternehmen längerfristig umfassend von der Software unterstützt werden. Praxisfälle zeigen aber oft einen langen und schwierigen Weg, der beim Modell der flachen Lernkurve noch nach dem Produktivstart der Software bis zum Erfolg zurückzulegen ist. Nach dem Produktivstart sollte doch die Einführung überstanden sein? Auch in dieser Phase kann es noch zum Projektabbruch kommen, weil wichtige unternehmerische Prozesse schlechter unterstützt werden als in der Vergangenheit.

Die steile Lernkurve

Die steil verlaufende Kurve zeigt den typischen Verlauf des Wissensaufbaus im Unternehmen, wenn die wesentlichen Arbeiten selbst durchgeführt werden. Selbstverständlich basiert diese idealisierte Kurve darauf, dass keine grundsätzlich ungeeigneten Vorgehensweisen gewählt werden. Diese würden zwar auch zu einem Lerneffekt führen, dafür fehlen aber im Allgemeinen die Zeit und das Geld. Um solche Irrwege auszuschliessen, bietet sich die Anleitung eines Beraters an, welcher eine bewährte Vorgehensmethodik einbringt. «Bewährt» darf dabei aber nicht bedeuten, dass die Methodik unumstösslich und starr ist. Im Gegenteil: Der Berater muss in der Lage sein, die Methodik zu diskutieren und situativ zu adaptieren. Um die Lernkurve steil zu halten, muss der Berater auch situationsgerecht Fachwissen liefern können. Gefragt ist meistens nur, was im Moment nützt, im Kontext Verankerung findet und die Informationsüberflutung nicht noch weiter steigert. Obwohl bis zum Produktivstart der Software mehr Zeit verstreicht als bei der flachen Lernkurve, ist insgesamt früher mit dem Erfolg, das heisst mit der breiten Akzeptanz, zu rechnen.

V2_Wissensaufbau während der Softwareeinführung

Abbildung 4: Wissensaufbau während der Softwareeinführung

Dr. Marcel Siegenthaler 

Dr. Marcel Siegenthaler war Partner der schmid + siegenthaler consulting gmbh und unterstützte Unternehmen bei der Evaluation und Einführung von Business Software. Er leitete das Consulting Team von schmid + siegenthaler.